1767 - 1845
Ein starker Jüngling, kühn zur
Tat und schnell,
Entreißt Johannes sich
bewohnten Stätten.
Er liebt, in öde Klüfte sich
zu betten,
Die Hüften gürtet ihm ein
rauhes Fell.
Einfältig wird sein Sinn, sein
Auge hell;
Nichts Niedres kann ihn an die
Erde ketten;
Und sein Geschlecht vom
Untergang zu retten,
Sucht er in sich der Gottheit
Lebensquell.
Er sitzt am Felsen, dessen
Born ihn tränket,
Da steigt vor seiner Seel
empor ein Bild,
Das er mit sel’gem Staunen
überdenket.
Es ist des Menschen Sohn, so
groß als mild.
Der ernste Seher hält sein
Haupt gesenket:
Ach, gegen dich, wie bin ich
streng und wild!
1767 - 1845
Der große Pollux, als im Kampf
zerschmettert
Kastor, der schöne, lag vor
seinen Füßen,
Rief, sein unsterblich’ Leben
zu beschließen,
Des Vaters Rechte, die aus
Wolken wettert.
Zeus ordnet, daß sie, jener
halb vergöttert,
Halb Schatte der, ihr
wechselnd’ Los versüßen
O Wunderliebe, die mit holden
Grüßen
Den Orkus aufhellt, den Olymp
entgöttert!
Du Zwillingssohn des Himmels
und der Erden,
O Mensch! So folge, was in dir
unsterblich,
Den Sterblichen in Lust wie in
Beschwerden.
Dir ist nur so der Stand der
Götter erblich;
So wird dein Ew’ges sichtbar lieblich
werden,
Dein Ird’sches rein, stark,
würdig, unverderblich.
1767 - 1845
Wie endigt Heut’? Und was wird
Morgen bringen?
Wer kann mir sagen, ob
gestreute Saaten,
Heilsam an sich, mir nicht zum
Gift geraten?
Was fremder Willkür mag an mir
gelingen?
Vergebens zeugt Erfahrung von
den Dingen
Und zeichnet sorgsam auf der
Vorwelt Taten:
Selbst Weisheit weiß
untrüglich nicht zu raten,
Wo Kräfte blindlings
durcheinander ringen.
Den ew’gen Schlangenkreis, der
uns umfahet,
Könnt überschauen nur des
Schicksals Wächter;
Uns schwindet eines, wenn das
andre nahet.
Die Zukunft steht als Sphinx
in düstern Fernen
Und schlingt hinab so Menschen
wie Geschlechter,
Eh ihre Rätsel sie zu lösen
lernen.
1767 - 1845
Oft will die seele ihre Flügel
dehnen,
Gestärkt von der Betrachtung
reiner Speise;
Ihr dünkt im engen
wiederholten Gleise
Ihr Tun vergeblich und ihr
Wissen Wähnen.
Sie fühlet tief ein
unbezwinglich’ Sehnen
Nach höhern Welten, freierm
Tatenkreise,
Und glaubt, am Schluß der
Bahn, nach ird’schr Weise,
Roll erst der Vorhang auf zu
lichtern Szenen.
Doch rührt der Tod den Leib
ihr, daß sie scheide,
So schaudert sie und sieht
zurück mit Zagen
Auf Erdenlust und sterbliche
Gespielen.
Wie einst Proserpina, von
Ennas Weide
In Plutos Arm entführt,
kindlich im Klagen,
Um Blumen weinte, die dem
Schoß entfielen.
1767 - 1845
Nicht bloß die Blume welkt,
das Luftgewebe
Der Frühe reißt, entflieht des
Lenzes Prangen,
Nicht bloß erbleichen junge
Rosenwangen;
Dem Geist auch droht’s, daß er
sich überlebe.
Wie kühn er erst auf freien
Flügeln schwebe,
Dumpf gnügsam bleibt er bald
am Boden hangen.
O, wißt ihr für sein grenzenlos’
Verlangen,
Weis’ oder Dichter, keinen
Trank der Hebe?
Nichts wähn er sein; Besitztum
ist ihm Schranke;
Ruh Tod; ein ew’ger Kampf der
Freiheit Wesen.
Es kümmr ihn nie, was hinter
ihm versunken.
Vernichtend, schaffend wechsle
der Gedanke,
Das Reinste sei zum
Flammengrab erlesen,
Wo ihn, verjüngend, treffe
Gottes Funken.
1767 - 1845
Vom Idealen schwatzt man viel
und Edeln,
Du aber weißt bei menschlichen
Gebrechen,
Vergiften, Lügen, Rauben,
Jungfernschwächen,
Das Edle noch durchs kleinste
Loch zu fädeln.
Was sag ich erst vom edlen
Geldvertrödeln?
Vom edlen Fluchen?
Tabakspfeifenbrechen?
Ja deine Feinde selber müssen
sprechen,
Daß edel auch bei dir die
Hunde wedeln.
Drum öffnen dir sich gern die
Tränenschleusen.
Wer nicht an Menschheit
glaubt, geh ins Theater,
Es seh dein Publikum und dich,
und lern es.
Du machst zerbrochne Puppen
uns zu Waisen,
Saugst Rührung über Mutter,
Kind und Vater
Am Nasenzipfel eines Holofernes.
1767 - 1845
Obschon der Jünger ungehirnte
Rotte
So frech entweiht des Sängers
hohes Amt,
Obschon das Volk zu schlaffem
Lob und Spotte
Manch halbverstandnes
Götterlied verdammt:
Doch schwör ich Huldigung dem
Musengotte,
So wahr ein Funk’ in mir vom
Himmel stammt!
Oft hat er in der
Aonidengrotte
Mit Wundersprüchen meinen
Geist entflammt.
Ich will nicht Ruhm, ich will
nicht Lorbeerkronen;
Wer nicht um ihretwillen
Phoebus’ Kunst
Mit Liebe pflegt, erbuhlt
nicht Phoebus’ Gunst.
Des Dichters Werk soll seinem
Schöpfer lohnen.
Sein goldner Pfeil ereilet
rasch das Ziel,
Und ihm genügt sein stilles
Selbstgefühl.
1767 - 1845
Geschäft und Sorge wohnt am
dürren Strande
Und kann dem engen Kreislauf
nicht entgehen;
Doch Phantasie lockt über
ferne Seen
An sel’ge Inseln, wunderbare
Lande.
Wie freudig lös ich meines
Schiffleins Bande,
Was Ahndung spielet, nah
enthüllt zu sehen!
Die Geister ungeborner Lieder
wehen
Durch meiner Segel schwellende
Gewande.
Verbrüderte Gefährten seh ich
schweben:
Was schrenckte wohl, daß ich
dahinten bliebe?
Es leuchten milde Sterne,
droht kein Wetter.
So leit, o süße Poesie, mein
Leben;
Du Jugend in der Jugend, Lieb’
in Liebe,
Natur in der Natur, Gottheit
der Götter!
1767 - 1845
Sebastian, römischen Geblüts
ein Krieger,
Schwur zu den Fahnen, die
unsterblich lohnen.
Den Märtyrern wies er die lichten
Kronen,
Und mancher ward, von ihm
ermutigt, Sieger.
Der Imperator hört’s ergrimmt.
Betrüger!
So willst du mir und unsern
Göttern lohnen?
Ergreifst ihn augenblicklich,
Centurionen!
Als Wurfziel seiner eignen
schar erlieg er.
Vom Pferd gerissen, aller
Waffenzierde
Entkleidet, sieht er still dem
Kampf entgegen,
An einem Baum mit Banden
festgeschlungen.
Die Köcher leert nun grausame
Begierde:
Doch so viele Pfeile hann die
Brust nicht hegen,
Als von des Heilands Liebe sie
durchdrungen.
1767 - 1845
O
Nymphe! sprach Narcissus zu der Quelle,
Du
Spiegel! Bett des fern und nahen Lieben!
Du
Tafel, wo sich Schönheit eingeschrieben,
Und
meiner Wünsch’ unüberstiegne Schwelle!
Nicht
töricht mehr umarmend deine Welle
Will
ich die zarte Malerei dir trüben,
Laß
mich in mich sie fassen, bei dir drüben,
Indem
ich weinend dich gelinde schwelle.
Doch
wenn ich nun mich ganz in dich ergossen:
Wer
weiß, ob ich dies Bild in mir nicht misse,
Und
wieder mich aus mir hinweg muß sehnen?
Er
sagt’ es, und sein Leben war entflossen,
Doch
neigt, nicht mehr Narcissus, die Narcisse
Den
schwanken Stiel noch stets zum Bach der Tränen.
1767 - 1845
Die Jungfrau
ruht, nur Demut ihr Geschmeide,
Im
Abendschatten an der Hütte Tor.
Sie
weiß nicht, daß sie Gott zur Braut erkor,
Doch
stilles Sinnen ist ihr Seelenweide.
Da
sieh! ein Jüngling tritt im lichten Kleide,
Den
Palmenzweig in seiner Hand, hervor.
Voll süßen
Schauers bebet sie empor,
Denn
seine Stirn ist Morgenrot der Freude.
Gegrüßt,
Maria! tönt sein holder Mund
Und
tut das wundervolle Heil ihr kund,
Wie
Kraft von oben her sie soll umwallen.
Und
sie, die Arm auf ihre Brust gelegt,
Wo
sich’s geheim und innig liebend regt,
Spricht:
mir geschehe nach des Herrn Gefallen.
1767 - 1845
Der
Blutaltar, für Gottes Lamm bereitet,
Hat
sein geweihtes Opfer schon empfangen;
Und
reuevolle Brüder zu umfangen,
Hält Christ
am Kreuz die Arme ausgebreitet.
Er
sieht voll Huld, die ihn hinausbegleitet,
Der
Treuen Schar in namenlosem Bangen:
Sie
schaun auf ihn mit schmerzlichem Verlangen,
Was
noch sein Wink für Tröstung ihnen deutet.
Der
Mutter Antlitz blaßt in Todesschauer,
Die
tränenlosen Augen sind verglommen,
Ihr
stummer Mund vermag nicht mehr zu flehen.
Kein
sterblich Weib erfuhr so tiefe Trauer.
Das
prophezeit’ ihr einst das Wort der Frommen:
Es
wird ein Schwert durch deine Seele gehen.
1767 - 1845 mit der
Schlange am Busen
Wie
schlank ihr Leib im Schlummer hingegossen
Auf
Flaum sich wiegt, von keiner Hüll’ umfangen!
So
goldnes Haar ist auf so schöne Wangen,
So
zarten Hals, noch nie herabgeflossen.
Doch
Todesnacht hat schon ihr Aug umschlossen,
Den
Lippen ist der kühne Geist entgangen;
Sie
selber gab den Stichen wilder Schlangen
Die
Lilienblüten, die am Busen sprossen.
O
Heldin, hätte dich ein Gott betrogen,
Und
deinen Reiz dem Orkus doch entzogen!
Oft
hat ja Liebe Götter umgestaltet.
Hielt
nicht der Fürst, der mit dem Donner waltet,
Als
Schlang’ Olympien in Liebesknoten?
Du
hättest ihm der Wonne mehr geboten.
1767 - 1845
Was ist
die Liebe? Lest es, zart geschrieben,
Im
Laut des Worts: es ist ein innig Leben;
Und
Leben ein im Leib gefesselt Streben,
Ein
sinnlich Bild von ewig geistgen Trieben.
Der
Mensch nur liebt: doch ist sein erstes Lieben
Der
Lieblichkeit des Leibes hingegeben.
Will
sich, als Leibes Gast, der Geist erheben,
So
wird von Willkür die Begier vertrieben.
Doch
unauflöslich Leib und Geist verweben
Ist
das Geheimnis aller Lust und Liebe;
Leiblich
und geistig wird sie Quell des Lebens.
Im
Manne waltet die Gewalt des Strebens;
Des
Weibes Füll umhüllet stille Triebe:
Wo
Liebe lebt und labt, ist lieb das Leben.
1767 - 1845
Nicht
bloß spielt aus des Sonnenstrahles Reine
Die
ganze Farbenwelt; die glühnde Helle
Wird auch
auf Erden hoher Farben Quelle,
Die
sie hervorruft, gleich als Widerscheine.
Da
brennen Blumen, regt durch goldne Haine
Sich
des Gefieders tausendfärbge Welle,
Das
Raubtier schleicht in buntgestreiftem Felle;
Und in
der Tiefe funkeln edle Steine.
So reift
der Liebe Glut und heiß Erröten,
Wie
Sonnenkraft die irdischen Naturen,
Zum
Farbenglanz der Phantasie Gebilde.
Ihr
ebnen sich smaragdner die Gefilde,
Ihr
wölbt der Himmel voller die Azuren,
Wo
schöner zuckend auch die Blitze töten.
1767 - 1845
Süßer Sänger, willst du mir
vertrauen,
Wo sie wohnt, die dein Gesang
erhebt?
Wo sie wandelt, wo ihr Odem
webt,
Muß Gedeihn und Lust die Flur
bethauen.
Wie? Du winkst mir, da hinauf
zu schauen,
Wo der Feuertanz der Sterne
schwebt?
Die im Liede lieblich blüht
und lebt,
Weilt sie schon auf
Paradiesesauen?
Sänger, deine Müh’ wird doch
belohnt.
Einsam klagst du nicht am
Grabeshügel;
Jedem Klange gabst du Seraphsflügel.
Wo bei Laura deine Molly
wohnt,
Hören beyde, zart wie Tauben
girren
Durch die Amaranthuslaub’ ihn
irren.
1767 - 1845
Die Jungfrau ist der Rose zu
vergleichen,
Die aus der Hüll’ am
Mutterstocke bricht.
Da, wo sie blüht, umzäumt von
Schattensträuchen,
Naht sich kein Hirt, da weiden
Herden nicht.
Ihr glänzt der Thau, ihr lacht
Aurorens Licht,
Es scheint der Bach verbuhlt
sie zu umschleichen.
Der Zephyr küßt ihr
Purpurangesicht,
Um dann, mit Duft beladen, zu
entweichen.
Kaum aber ist dem Stamm die
Ros entpflückt,
Kaum hat die Jungfrau, was sie
wie ihr Leben
Bewahren soll, die Unschuld
hingegeben,
So ist der Reiz, der beyde
sonst geschmückt,
Und jedes Herz zur Huldigung
bewogen
Schnell, wie der Blitz, in
alle Welt entflogen.